Die Vor- und Nachteile der Waldorfschule

Die Vor- und Nachteile der Waldorfschule

Der Begriff Bildung gewinnt in unserer Gesellschaft immer mehr an Bedeutung. Der Wandel zur Informationsgesellschaft setzt immer höhere Maßstäbe an uns und verlangt eine stetige Anpassung an immer höheren Ansprüche. Zwangsläufig spielen die Schulen als Bildungsinstitutionen auf dem Bildungsweg eine tragende Rolle. Sie bilden wichtige Grundlagen für den beruflichen Werdegang, aber vor allem sollen sie im Idealfall ein Ort sein, an dem Kinder ihre Persönlichkeit und ihre Sozialkompetenzen entwickeln können. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass unser Schulsystem seit dem 19. Jahrhundert quasi unverändert ist und alle wichtigen Grundstrukturen für das damalige Feudalsystem ausgelegt waren, ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Menschen dieses System in Frage stellen. Die Anforderungen der damaligen Zeit haben nur noch wenig mit der heutigen Realität zu tun. Verkrustete und autoritäre Strukturen, vor allem ausgelegt auf Frontalunterricht und Gehorsam, scheinen heute nicht mehr zeitgemäß. 

Parallel zur heutigen Schulstruktur gibt es Angebote, die sich nicht nur in Deutschland großer Beliebtheit erfreuen. Eine davon ist die in der Gesellschaft oft diskutierte, vielleicht auch manchmal belächelte Waldorfpädagogik, die weltweit in Form von 1026 Schulen Anklang findet.

In folgendem Text will ich auf die Vor- und Nachteile dieser Pädagogik eingehen und sie mit der konventionellen Schulform vergleichen.

Vorteile Waldorfschule

Vorteile der Waldorfschule

Leistungsdruck

Wenn heute über Schule gesprochen wird, kommt in den meisten Fällen das Thema Leistungsdruck zur Sprache. Viele Eltern und Kindern leiden unter dem ständigen Leistungsdruck, der schon von der 1. Klasse an gegeben ist.  Schüler müssen schon von klein auf funktionieren. Der Druck ist auch schon in der Grundschule unglaublich hoch, nämlich dann, wenn die Versetzung auf eine weiterführende Schule ansteht. 

Kinder werden hier schon in einem frühen Alter nach Leistung ausselektiert ,was aufgrund der großen Unterschiede in der geistigen Entwicklung der Kinder  unangemessen ist. Es ist eine Auslese, die für das spätere Leben des Kindes große Auswirkungen hat. 

Hier bildet die Waldorfschule eine echte Alternative. „ Die Waldorfschule kennt keine Auslese, das heißt kein Sitzenbleiben,  sie kennt keine Zensuren und den mit den Zensuren verbundenen äußerlichen Leistungsdruck. Die Waldorfschule ist eine Gesamtschule, die nicht nach dem Leistungsprinzip selektiert, sondern die Schülergruppe, in denen verschiedene Sozialschichten und Leistungsmöglichkeiten vereint sind, gemeinsam führt. Erst auf der Oberstufe kann recht spät eine innere Differenzierung erfolgen, ohne dass der Klassenverband gesprengt wird, und ohne, dass die soziale Identität des Schülers verloren geht.“

Der Druck wird aber nicht nur auf die Schüler ausgeübt, sondern auch immer mehr auf die Lehrer, die in der Kritik stehen, sobald die Noten nicht gut genug erscheinen. Man spricht schon von einem Notentrauma in Deutschland. Darunter leidet auch die Unterrichtsform, welche immer mehr auf Messbares ausgerichtet ist. Oft ist es dann auch nicht möglich objektive Noten zu vergeben, beispielsweise bei den mündlichen Noten. Hier haben oft dominante, selbstbewusste und extrovertierte Schüler große Vorteile.

Die permanente Druck führt oft zu du einer Lenrverdrossenheit, weil der negative Druck den Spass am Lernen hindert. Das „Auf-Kommando-Lernen“ erschwert die Verknüpfung von Informationen im Gehirn. 

Nach Umfragen schätzen sich viele ehemalige Waldorfschüler gegenüber „Nichtwaldorfschüler“ als offener, interessanter, kreativer, selbständiger, toleranter und selbstsicherer ein.

Individuelle Lerninhalte

Ein anderer Aspekt, der in der konventionellen Bildung oft vernachlässigt wird, ist der generalisierte Lehrinhalt. Wie im ersten Argument angesprochen, sind Kinder trotz gleichen Alters unterschiedlich weit entwickelt. Hinzu kommen noch unterschiedliche Talentausprägung und unterschiedliche Sozialisationen. Beispielsweise, die oft angesprochene Signifikanz des Bildungsgrades des Elternhauses, welcher auf die Kinder einen maßgeblichen Anteil hat. Kinder aus bildungsfernen Schichten lesen z.B. viel weniger zu Hause und haben von daher schon im Deutschunterricht ein großen Nachteil. Es gibt natürlich auch leistungsschwache Schüler aus gebildetem Elternhaus. Hier gibt es dann aber z.B. auch wieder wirtschaftliche bessere Möglichkeiten dem Kind einen Nachhilfeunterricht zu gewährleisten. 

All diese Punkte werden in „normalen“ Schulen nicht berücksichtigt. Kinder bekommen unabhängig von Begabung, Entwicklung etc. den gleichen Lehrstoff verabreicht ohne Berücksichtigung und Anspruch auf die Individualität der Kinder. 

Bei diesem „Gleichmachen“ bleiben viele auf der Strecke. In Deutschland müssen beispielsweise bis zu 160 000 Schüler jährlich eine „Ehrenrunde“ drehen. Die damit verbundenen negative psychischen Auswirkungen bzw. die damit verbundene Botschaft des Versagens kann weitreichend sein. 

Die Waldorfpädagogik wählt eine andere Methode. Sie bemüht sich um eine anthropologisch orientierte Erziehung. Das bedeutet, dass z.B. Unterrichtsinhalte und Stundenplan auf die Notwendigkeiten und erwachenden Fähigkeiten der Schüler eingestellt werden. Der Stoff wird nicht gelehrt, damit das Kind den Stoff lernt, sondern damit durch den Stoff die kindliche Entwicklung gefördert wird,  Das Kind erfährt eine andere Wertschätzung der Leistung. Es kann seinen Stärken nachgehen und spielerischer lernen. Eine unbeschwertere Entwicklung wird dadurch gewährleistet. Unterricht muss Interesse erregen. Das ist durch Bildung der Vorstellungen, durch methodische Maßnahmen allein nie zu erreichen. Das individuelle Eingehen auf Schüler bildet einen wichtigen Vorzug gegenüber der generalisierten Unterrichtsform der konventionellen Schulen, die nicht zeitgemäß versucht alle Schüler gleich zu behandeln, obwohl dies nicht angemessen ist.

Der Klassenlehrer

Schaut man auf seine Schulzeit zurück, kommen einem wahrscheinlich noch zahlreiche Lehrer in Erinnerung, deren Unterricht man über die Jahre hinweg genießen konnte oder unter deren Obhut man vielleicht sogar litt. Für fast jedes Fach ein anderer Lehrer, für jede Stunde ein neues Gesicht, eine neue Situation, auf die man sich einstellen musste. Die Ausnahme bildete die Grundschule, in der man nur einer Lehrkraft zugeteilt wurde. Die Konsequenz war beispielsweise, dass man den Lehrkörper nur einmal in der Woche zu Gesicht bekam. Dadurch besteht nur ansatzweise die Möglichkeit eine soziale Bindung zwischen Schüler und Lehrer aufzubauen. Der Lehrer kann aus zeitlichen Gründen keine Beziehung zu den Schülern aufbauen, es bleibt bei einer sehr oberflächlichen Bindung. Diese erweist sich vor allem dann als sehr kritisch, wenn es zu Problemen kommt, auf die der Lehrer nicht adäquat reagieren kann. Vor allem schwächere Schüler benötigen in ihrer Schullaufbahn klare Anforderungen, fühlbare Begleitung und sensible Unterstützung. Eltern wissen oft nur, wie es um ihr Kind steht, wenn sie das Zeugnis in der Hand halten, und dann auch wieder nur im leistungsbezogenen und nicht im sozialen Sinn.

Vor- und Nachteile Waldorschule

Der Waldorflehrer bildet hier das krasse Gegenteil. Der Klassenlehrer begleitet die Schüler in der Regel bis zu 8 Jahren. Dabei lernt er seine Schüler schon in der Aufnahmesprechstunde und in der schulärztlichen Untersuchung kennen. Er kann die Entwicklung, die spezifischen Leistungen, die Gesundheit, Ausdrucksfähigkeiten und vieles mehr verfolgen. Damit geht eine sehr intensive Zusammenarbeit mit dem Elternhaus einher. Der Lehrer weiß, wie seine Schüler wohnen, er kennt ihre Eltern persönlich, ebenso ihre Probleme. Er kann auch schon deswegen besser Einfluss auf die Kinder nehmen, weil die Eltern wissen, dass er langfristig mit ihnen zusammenarbeiten und, dass er langfristig Einfluss auf das Kind ausüben wird. Die Zusammenarbeit mit dem Elternhaus ist heute wichtiger denn je, da meistens beide Elternteile berufstätig sind und die häusliche Erziehung oft nicht stattfindet. Gerade durch die langen Jahre der wirklichen Zusammenarbeit entsteht eine Art sachlicher Zuneigung jenseits des Überschwangs und der  Augenblickserfolge. Wer einmal gesehen hat, wie eine 1. Klasse voll innerer Bereitschaft auf die neue Lehrerin oder auf den Lehrer zugeht, der wird wissen, dass sich hier ein Band anknüpft, das im Normalfall nicht nach ein oder zwei Jahren wieder gelöst werden sollte. Für die Schüler ist der Lehrer ein psychischer Orientierungspunkt erster Ordnung.

Der Epochenunterricht

Beim Wechsel der Kinder von der Grundschule auf eine weiterführende Schule, ist eine der großen Umstellungen die, das sie in zahlreichen Fächern von verschiedenen Lehrern beschult werden. Ein Schulfach mit einer Wochenstunde ist nicht unüblich. Lerninhalte müssen mit hoher Geschwindigkeit in 45 Minuten „durchgepeitscht“ werden. Die daraus folgenden negativen Konsequenzen sind vielfältig. Mangelnde Konzentration, fehlende Motivation und eine relativ oberflächliche Betrachtung des Stoffes kann einen nachhaltigen Lernerfolg nicht garantieren sondern sogar gefährden.

Der Lehrplan an Waldorfschulen grenzt sich unter anderem vom klassischen Unterricht durch den Epochenunterricht ab. Das bedeutet, dass vier Wochen lang jeden Tag zwei Stunden lang dasselbe Thema behandelt wird. „Wenn vier Wochen lang jeden Tag der Unterricht zwei Stunden lang um dasselbe Thema kreist, so erlaubt das sowohl dem Lehrer, wie dem Schüler eine wirkliche Konzentration der Interessen. Der Lehrer kann seine Vorbereitungszeit einem Thema widmen, er ist in der Lage, etwa ein oder zwei jüngst erschienene Bücher zum Gegenstand seiner Arbeit zur Kenntnis zu nehmen, er kann Altes wieder aufgreifen, er kann sich Methodisches gut überlegen.“  Der Epochenunterricht kennzeichnet sich dadurch aus, dass an dem Tag, an dem Neues behandelt worden ist, noch kein Abschluss des Themas stattfindet. Die Urteilsbildung findet erst am folgenden Tag statt und dann in gemeinsamer Arbeit. Schüler mit abweichenden Meinungen können zum Beispiel am nächsten Tag Material in den Unterricht mitbringen, um ihre Meinung zu untermauern. Somit können Lerninhalte viel besser verarbeitet werden. Das Gelernte kann besser vertieft werden und bleibt dem Schüler längerfristig zu Verfügung. Darüber hinaus gibt es Erfahrungen, dass die Lernatmosphäre im Blockunterricht ruhiger ist.                                                                                        

Außerdem nimmt die Belastung für den Lehrer ab, wenn er nicht mehr gezwungen ist eine sehr große Anzahl von Schülern zu unterrichten. Wenn ein(e) Lehrer(in) beispielsweise 6 Stunden unterrichtet, hat er oder sie täglich mit 180 Kindern zu tun. Unter den großen Belastungen leidet natürlich auch die Leistungsfähigkeit der Lehrer und die damit verbundene Lernqualität, die nicht mehr gewährleistet werden kann. Immer öfter liest man in den Medien über alarmierende Burnoutquoten im Lehrberuf. Es ist zu berücksichtigen, dass die große Anzahl der Schüler pro Lehrer nur einen kleinen Anteil an dem Erschöpfungssyndrom haben kann.

Nachteile der Waldorfpädagogik

Fehlender Leistungsdruck 

Vergegenwärtigt man sich, wie stark die Anforderungen an unsere Gesellschaft im Sinne des Leistungsanspruchs gestiegen sind, dann können Zweifel an Steiners Pädagogikmodell aufkommen. Wenn die Gesellschaft den Anspruch hat, dass Kinder in unserer Informationsgesellschaft funktionieren sollen, dann ist eine entsprechende schulische Ausrichtung auf diese Anforderungen unabdingbar. Diesen Anforderungen müssen spezielle schulische Grundzüge vorausgehen, die an Waldorfschulen nicht zwangsläufig gegeben sind.  Der von unseren Staatlichen Schulen erwartete Leistungsdruck und die damit einhergehende psychische Belastung kann vielleicht durch folgende Umfragen ansatzweise gerechtfertigt werden.

Aus einer Umfrage ehemaliger Waldorfschüler geht hervor, dass etwa 60% der Auffassung waren, dass Waldorfschulen nicht genug leistungsorientiert waren. 40,8% waren der Auffassung, dass an Waldorfschulen zu wenig Allgemeinwissen vermittelt wird. Des weiteren gaben viele ehemalige Schüler an, in unterschiedlichen Fähigkeitsbereichen, vor allem Mathematik, Fremdsprachen, Naturwissenschaften und Orthographie Probleme zu haben.

„Die Schwäche der Freien Waldorfschule liegt zunächst darin, dass sie bisweilen zu wenig Aufmerksamkeit auf die Vermittlung grundlegender Fähigkeiten, bzw. Wissensinhalte, sowie auf die Überprüfung und Kontrolle des Erreichens entsprechender Lernziele richtet, was natürlich mit Fragen an die Qualität des dort gehaltenen Unterrichts verbunden ist. Ein weiterer Mangel ist darin zu sehen, dass sie sich mitunter zu wenig nach außen hin öffnet, bzw. sich zu wenig an gesellschaftlichen Entwicklungen orientiert, was mit der Gefahr verbunden ist, von bestimmen Neuerungen aus- bzw. abgeschlossen und blind gegenüber bestimmten Realitäten zu sein. Dies wird in dieser Studie in unterschiedlichen Zusammenhängen deutlich, wie z.B. die Beurteilung der gesellschaftlichen Aktualität des Unterrichts oder beim Erlernen des Umgangs mit Leistungsanforderungen und Konkurrenzsituationen.“ Vergegenwärtigt man sich diese Punkte, wird klar dass das drucklose Lernen auch seine Nachteile haben kann. 

Der Leistungsgedankte wird für Waldorfschüler spätestens dann Realität, wenn sie in die Oberstufe kommen, bzw. wenn sie einen staatlich anerkannten Schulabschluss erreichen wollen, den sie in vielen Bundesländern durch eine externe Prüfung absolvieren müssen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt kann es für die Betroffenen zu Problemen kommen, die weitreichende Auswirkungen auf ihr späteres Leben haben können. Hier ist der Umgang mit Drucksituationen unabdingbar.  Umfragen zeigen auch, dass Waldorfschüler ein geringeres Durchsetzungsvermögen haben und weniger ausgeprägt leistungsorientiert sind, sowie eine geringeres Selbstwertgefühl, Mangel an Exaktheit und Disziplin im eigenen Handeln sowie ein gewisses Maß an Selbstüberschätzung haben. Zu bemerken ist, dass diese Aussagen prozentual weniger Gewicht haben als die positiven.

Die Waldorfschule bildet ein Extrem zur Staatlichen Schule, was aufgrund der Anforderungen unserer Leistungsgesellschaft kritisch gesehen werden kann.

Fokussierung auf einen Klassenlehrer

Die dargestellten Vorzüge eines einzigen Klassenlehrers über die Zeit von 8 Jahren birgt auch Gefahren bzw. Nachteile. Wie wir wissen, haben Lehrer auf den Schüler enormen Einfluss, der sich sowohl positiv als auch negativ auswirken kann.

Allein  die Tatsache, dass nicht immer jeder mit jedem auskommen kann, lässt dieses Modell kritisch betrachten. Man denke nur an seine Schulzeit zurück und stelle sich vor, man hätte so manchen „Ungeliebten“ über viele Jahre hinweg ertragen müssen. Sympathien oder Antipathien können unbewusst ausgelebt werden und eine ausgewogene, gerechte und objektive Schullaufbahn behindern. Wer Glück hat, bekommt einen Lehrer zugeteilt, mit dem er ein gutes Verhältnis hat, der ihn fördert, der ihm wohlgesonnen ist. In den wenigsten Fällen werden Lehrer dem Schüler die Zukunft bewusst „verbauen“; trotzdem werden unbewusst Prozesse ablaufen, die durch die Monotonie eines einzelnen Lehrers eine positive Entwicklung eines Schülers behindern können. Die ist an Staatlichen Schulen auch geben, nur ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass auch gute Verhältnisse zu Lehrern entwickeln werden können, allein durch die große Anzahl der Lehrer, die man in seiner Schullaufbahn ertragen darf.

Wenn sich der Unterricht über viele Jahre nur auf eine Person fokussiert, besteht die Möglichkeit, dass bestimmte Reizpunkte nicht mehr greifen. Gewohnheiten wirken sich negativ auf die Flexibilität der Schüler aus.

Für manche Schüler bedeutet derselbe Klassenlehrer über viele Jahre hinweg enormen Stress, weil sie aus dem Deutungsbereich des Lehrers nicht rauskommen und nicht in eine Parallelklasse wechseln können. Eine wenig stimmige Chemie zwischen Lehrern und Schülern kann noch weiter erschwert werden, weil im Verharren bzw. in der Auseinandersetzung mit Erklärungsmodellen auch die Tendenz gefördert wird die wahrgenommenen Erkenntnisse an andere zu deuten. Die wird noch durch eine vermeintliche Nähe verstärkt, in der die „Deutung“ von vielen Waldorflehrern durch Sprach- und Sprechstil besonders betont wird.  

Ein weiter großer Kritikpunkt ist die oft fehlende Kompetenz von Waldorflehren. „Erfahrungen legen die Vermutung nahe, dass einige männliche Waldorflehrer schon von vornherein eine eher nicht ausgeprägt männliche Persönlichkeitsstruktur haben, vielleicht auch deswegen, weil sie (fälschlicherweise?) im Beruf des Waldorflehrers eher das Haltende, Verstehende und Bewahrende sehen, ein Helfersyndrom haben oder den Beruf des Waldorflehrers nicht hinreichend als ein „Handwerk“ verstehen, das besondere Ansprüche an Kontur, Authentizität, Abgrenzung, Kooperationsfähigkeit und pädagogische Professionalität stellt. Gerade in der Pubertät der Schüler wird der Mangel an konturiert männlichen Identifikationsmöglichkeiten in der Waldorfschule daher besonders problematisch.“

Der Dichter Hermann Hesse hat im Stufengedicht die Vorzüge des Wechsels bzw. Neuanfangs beschrieben. In der ersten Strophe heisst es:

„Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“

Dieses Gedicht angewandt auf das Leben oder eben auf die Schule, kann so interpretiert werden, dass der Wandel, der Neubeginn oder auch die Flexibilität ein elementarer Bestandteil ist, der auch sein Vorzüge mit sich bringt.

Fazit

Wenn wir also nun beide Schulformen miteinander vergleichen, dann könnte man zu der Ansicht kommen, dass sich beide Schulen inhaltlich didaktisch und pädagogisch annähern könnten.  Eine gemeinsame Schnittmenge beider Systeme könnte eine ideale Schulform aufzeigen. In der konventionellen Schulform den Kindern etwas mehr Zeit für ihre Entwicklung lassen, den Notendruck, der wahrscheinlich unabdingbar ist,  verzögert einführen, wäre schon ein Schritt in die richtige Richtung. Auf der anderen Seite wäre es auch für die Waldorfschüler von Vorteil, etwas früher dem Leistungsgedanken ausgesetzt zu sein. Damit verbunden wäre auch eine frühere Einführung in Natur- oder Sprachwissenschaften, die eine höhere Kompetenz der Betroffenen ermöglichen könnte.

Die Abhängigkeit von Bildung der Kinder vom Elternhaus wird in Deutschland viel diskutiert. Hier wählt die Waldorfschule den interessanten Ansatz, den Betrag des Schulgeldes vom Einkommen der Eltern abhängig zu machen. In öffentlichen Schulen werden in Deutschland keine Gebühren erhoben, trotzdem ist die Abhängigkeit vom Geldbeutel der Eltern für den Schulabschluss bzw. den Leistungen nachweisbar.

Wenn man hier die Eltern ähnlich finanziell belastet wie in der Waldorfschule, könnten  durch die neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten beispielsweise eine umfangreichere Betreuung und Bildung mehr Chancengleichheit gewährleistet werden. Chancengleichheit hat auch insofern in der Waldorfschule eine große Bedeutung, da hier unter anderem Kindern, die zum Beispiel behindert sind oder aus sonstigen Gründen am konventionellen Unterricht ausgeschlossen sind, die Möglichkeit geboten wird am Unterricht teilzunehmen.